20.04.2020 | Fensterkund*innen und telefonische Formularhilfe
Die behördlich verordneten Präventionsmaßnahmen im Umgang mit dem neuartigen Corona-Virus sind für Menschen in ganz Deutschland eine Herausforderung. Das Gebot des sozialen Abstandhaltens beeinflusst nicht nur unser Privatleben, sondern auch deutlich den Berufsalltag.
Kreative Lösungen sind vor allem dort gefragt, wo Arbeiten zu Hause erst einmal nicht möglich scheint, weil für die Hilfeleistung der Kontakt von Mensch zu Mensch wichtig ist. Die Mitarbeitenden von PONTIS Hasenbergl, dem ersten Lotsenprojekt der Diakonie Hasenbergl e.V., haben schnell auf die Anforderungen reagiert und das Angebot der Beratung und Formularhilfe für zugewanderte Mitbürger*innen kreativ den neuen Gegebenheiten angepasst: Telefonische Formularhilfe für Fensterkund*innen.

Etwa 40 Prozent der Menschen in den Stadtbezirken 11 und 24 haben einen Migrationshintergrund, mehr als in anderen Stadtteilen Münchens. Die Bewohnerinnen und Bewohner kommen aus bis zu 60 Nationen. Nicht nur Sprachbarrieren erschweren das Leben in München, sie benötigen Hilfe, um Leistungsansprüche wie Wohngeld, Elterngeld oder Grundsicherung zu realisieren. Sie suchen Rat beim Ausfüllen von Anträgen, bei der Gestaltung eines Lebenslaufs oder der Vermittlung eines Deutschkurses. Für die Beratung und Betreuung der Münchner Migrant*innen sind die Mitarbeitenden der PONTIS Niederlassungen für Feldmoching-Hasenbergl am Walter-Sedlmayr-Platz, für Schwabing-Freimann im Starenweg und ab Mai auch in Pasing zuständig. Mehreren tausend Menschen in München haben die Mitarbeitenden seither Orientierung in der neuen Heimat gegeben. Die Lots*innen sind vieles in einer Person: Wegweiser aus der Not, wichtige Unterstützung im Bürokratiedschungel, sie haben immer ein offenes Ohr für die oft selbst erlebten Nöte und Unsicherheiten. Das Besondere: Alle Lots*innen kommen selbst aus anderen Ländern und sprechen ihre Landessprache, zum Beispiel griechisch, arabisch, türkisch oder urdu.
Mit den Herausforderungen der Corona-Krise haben sich die Mitarbeitenden der PONTIS-Einrichtungen bereits auseinander gesetzt, bevor in Bayern über die Präventionsmaßnahmen entschieden wurde. „Ich denke, dass die Lots*innen, wegen den bereits harten Begebenheiten in ihren Heimatländern, verunsichert waren, ob die Kund*innen Besuch von Verwandten aus bereits betroffenen Gebieten hatten und das Virus übertragen könnten“, erzählt Nicola Butschek, die PONTIS Hasenbergl leitet. „‘Angst ist der schlimmste Virus‘ hat unser Mitarbeiter Gregor auf ein Plakat geschrieben, das seither in unserem Büro hängt. Und das stimmt.“
Sicherheit im Alltag gaben lange Zeit strenge Hygiene- und Desinfektionsmaßnahmen, die sich die Mitarbeitenden selbst auferlegt hatten- und natürlich der enge und vertraute kollegiale Zusammenhalt unter den Lots*innen und den Mitarbeitenden der Diakonie Hasenbergl. „Ich war wirklich berührt, dass zwei unserer Lot*sinnen bis zum Beginn der Ausgangsbegrenzung, trotz bestehender Verunsicherungen, jeden Tag gekommen sind, weil sich mich nicht alleine lassen wollten. Mittlerweile halten wir zu viert den Betrieb am Laufen und kümmern uns um bis zu 15 Fallanliegen wöchentlich. Wir haben eine telefonische Anlaufstelle eingerichtet. Gregor, unser erster Lotse, hat die Verantwortung dafür übernommen, er leitet die Anrufenden an die jeweiligen Mitarbeitenden im mobilen Office weiter, wenn eine Kund*in Beratung und Informationen auf urdu, arabisch oder türkisch benötigt. Bei allen Fragen stehe ich im Hintergrund und berate unsere Lots*innen“, erzählt Nicola Butschek.
Schnell hatte man kreative Lösungen parat, wie auch in Zeiten des sozialen Abstandhaltens der persönlich so wichtige Kontakt, das persönliche Gespräch und auch ganz praktisch, ein Formular ausgefüllt wird. „Wir haben auch manchmal „Fensterkund*innen“, das sieht dann so aus, dass die Kund*innen am Fenster stehen, uns den Antrag durch das gekippte Fenster einwerfen. Gregor nimmt anschließend telefonisch Kontakt zu ihnen auf und spricht die Fragen durch. Wir schreiben auch auf diese Weise Briefe und geben sie durch das gekippte Fenster den Kund*innen zurück.“ Der Ideenreichtum und die professionelle Hilfe mit improvisierten Maßnahmen kommen bei den Kund*innen gut an, dennoch freuen sich Mitarbeitende und Kund*innen auf die Zeit nach Corona, wenn die Arbeit wieder unter normalen Gegebenheiten möglich ist. „Zum Glück haben wir unseren Humor, Ideenreichtum und einen sehr schönen familiären Umgang miteinander, so dass wir zusammen diese schwierige Zeit überdauern können. Krise heißt ja, im chinesischen Chance- diese Chance werden wir dann nutzen“.
Weitere Informationen
- Kultur und Migration bei der Diakonie Hasenbergl: 3x PONTIS