Im Stadtteil etwas bewegt

Aktives Sich-Einmischen und die Veränderung des Lebensraums selbst mitgestalten: Die Teilnehmenden des Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord setzen sich über 30 Jahre lang für eine Umgestaltung ihres Quartiers ein. Aus den damaligen Initiativen entstanden Projekte, die noch heute großen Zulauf der Anwohnenden genießen. Auch gemeinsame Flohmärkte, Feste und Feiern gehen auf das Engagement des Bewohnerstammtischs zurück.

Mehr als 30 Jahre lang haben sich die engagierten Hasenbergler*innen zum Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord zusammengefunden – und einiges auf die Beine gestellt. Dabei fiel der Start des Engagements in eine aufregende Zeit. Zwei Jahre nach dem Mauerfall lag auch im Münchner Hasenbergl Zukunft in der Luft, wehte der Wind der Veränderung, als sich Bewohner*innen des Hasenbergl Nord aufmachten, ihr Quartier aktiv und vor allem kreativ zu beleben. Der Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord war geboren.

„30 Jahre später können wir heute einen stolzen Blick zurück werfen auf ein beispielloses Engagement und Danke sagen für unermüdliches zusammen.tun.“, fasst Dr. Stefan Fröba, Vorstand der Diakonie Hasenbergl, zusammen. Dabei geht die Idee für den Zusammenschluss der Anwohnenden auf einen Stadtratsbeschluss aus den 1980er Jahren zur „Nachverdichtung“ des Hasenbergl zurück. Das Vorhaben sollte im Rahmen einer Bürger*innenbeteiligung durchgeführt werden. „Mitreden, Mitgestalten, Mitentscheiden“ war nicht nur Titel einer Kursreihe, die die Städtische Volkshochschule gemeinsam mit dem Verein Urbanes Wohnen e.V. dazu anbot, sondern stellte gleichzeitig das Motto dar, unter dem der Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord fortan arbeitete. „Am 12. November 1991 um 19.00 Uhr fand die erste Sitzung des dazu gegründeten Bewohnerstammtisch Hasenbergl-Nord statt. Viele der Ideen und Vorschläge, die im Laufe der nächsten Jahre und Jahrzehnte aus dem Bewohnerstammtisch entstanden sind, entwickelten sich zu Projekten, die aus dem Stadtteil nicht mehr wegzudenken sind und das Leben im Quartier bereichert haben“, erinnert sich Johanna Glück, die viele Jahre als Mitarbeiterin bei der Gemeinwesenarbeit und später in den Nachbarschaftstreffs aktiv mit angepackt hatte.

Besonderes Beispiel für ehrenamtliches Engagement im und für den Stadtteil

Schnell wurde der Bewohnerstammtisch Hasenbergl-Nord zur anerkannten, kompetenten und geschätzten Anlaufstelle, aber auch Kooperationspartner für verschiedene Referate und Abteilungen der Stadt München (z.B. Amt für Wohnen und Migration, der Abteilung zur Verwaltung der städtischen Unterkünfte, der Abteilung Sozialplanung im Sozialreferat und dem Referat für Stadtplanung und Bauordnung , für Wohnungsbaugesellschaften, politische Gremien (z.B. Bezirksausschuss), Vereine, aber auch für Privatinitiativen.

„Wir wagten aber auch den Blick über den Tellerrand hinaus: Wir informierten uns bei Stadtteilinitiativen in Bremen, Wien, Düren oder Leipzig und besuchten benachteiligte Stadtteile vor Ort“, erzählt Hanni Gerken, die lange Jahre aktives Mitglied des Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord war. Bis heute gilt der Stammtisch nicht nur als ein erfolgreiches, sondern auch besonderes Beispiel für ehrenamtliches Engagement im und für den Stadtteil. Bis heute ist er ein Vorbild dafür, wie Veränderungen zur Verbesserung der Lebensqualität gemeinsam gestaltet werden.
Beispiele für das außergewöhnliche Engagement der Hasenbergler*innen gibt es viele. Eine herausragende Initiative war sicherlich die Idee eines Secondhand-Kleiderverkaufs. „Die Idee zur Schickeria ist in unserer Frauenrunde geboren. Erst sind wir nur in einem kleinen Rahmen gestartet, haben zu unserem ‚Kleiderverkauf‘ zu bestimmten Tagen in eine Garage und später auch einmal ins Stadtteilcafé eingeladen“, erinnert sich Johanna Glück. Ein gemeinsamer Treffpunkt für nachbarschaftlichen Austausch sollte her, ein niederschwelliger Zugang zu Beratungsangeboten und nicht zuletzt ein Ladengeschäft im bis dahin sehr unterversorgten Münchner Norden. Zu den Sonder-Verkaufsnachmittagen wurden die  Nachbar*innen im Viertel eingeladen. Egal ob Brautmode oder Sommerbekleidung – die Aktionstage haben sich schnell zu einer Attraktion für die Nachbarschaft entwickelt, zu der man gern zusammengekommen ist. Rasch war klar, dass ein regelmäßiges Angebot notwendig und gewünscht ist. Im Juli 2007 wurde schließlich die Schickeria Secondhand-Laden feierlich eröffnet. „Im Hasenbergl gab es bis dahin kein Bekleidungsgeschäft, moderne Kleidung war für die Anwohnenden, die nur wenig oder gar nicht aus dem Viertel gekommen sind, kaum zu finden“, erinnert sich Johanna Glück. „Unsere Schickeria ist mehr als ein typischer Secondhand-Laden: Sie ist eine Schatzkiste für einzigartige Lieblingsstücke, ein nachbarschaftlicher Treffpunkt und Garant für besondere Begegnungen, bei denen die Neuigkeiten des Viertels ausgetauscht werden, ein wertvolles Beschäftigungsprojekt für unsere freiwillig engagierten Mitarbeitenden, eine offene Tür zu den Beratungsangeboten unseres Trägers (zwischen Kleidungsständern und Schuhregalen schütten Kund*innen und Nachbar*innen ihr Herz aus), ein Kontrapunkt gegen Ressourcenverschwendung und seit 15 Jahren ein erfolgreiches Projekt für gesellschaftliche Teilhabe“, erklärt Evangelia Kostopoulou. Sie leitet die Schickeria heute und steht in engem Kontakt mit den freiwillig engagierten Damen, die oft schon seit vielen Jahren in der Schickeria arbeiten und für die vielen Stammkund*innen vertraute Ansprechpersonen sind.

Persönlicher Einsatz und ein vertrauensvolles Miteinander

Es sind die Mitstreiter*innen des Bewohnerstammtischs, die durch ihr Engagement und ihr aktives Einmischen viele Verbesserungen im Hasenbergl angestoßen haben. Ein Name, der beim Rückblick auf die  30-jährige Geschichte des Bewohnerstammtischs Hasenbergl Nord immer wieder fällt, ist Hansi Sedlmaier. „Hansi Sedlmaier war ein über Jahrzehnte hoch engagierter Mensch im Stadtteil. Er hatte mit den Bewohner*innen den Stammtisch mitinitiiert und hat sich von Anfang an in viele Themen eingebracht. Bis 2014 als Ehrenamtlicher, danach als Sozialpädagoge und Mitarbeiter der Stadtteilarbeit der Diakonie Hasenbergl“, erzählt Hanni Gerken, Teilnehmerin des Bewohnerstammtischs Hasenbergl Nord. „Er war für die Menschen im Stadtteil die wichtige Verbindung zu den Einrichtungen, die Nachbar*innen kannten ihn als einen, der die Dinge in die Hand nimmt und für viele Bedarfe eine Lösung findet. Dabei ist es ihm auf eine besondere Weise gelungen, mit den Menschen auf Augenhöhe ein vertrauensvolles Miteinander zu ermöglichen“.

Aus den Ideen und Anregungen des Bewohnerstammtischs sind viele Projekte und Veranstaltungen zu standen, die noch heute großen Zulauf im Viertel genießen. Kulturelle Veranstaltungen, Flohmärkte,  gemeinsame Ausflüge, die Schaffung eines gemeinsamen Treffpunkts oder auch der wichtige Austausch mit Vertreter*innen aus Politik, Verwaltung und Wohnungsbaugesellschaften, das aktive Sich-Einmischen. „Bürgerbeteiligungsprozesse sind heute kein Neuheit mehr. Vor dreißig Jahren, als sich der Bewohnerstammtisch Hasenbergl Nord gründete, war das etwas ganz Besonderes. Beispiellos haben die Teilnehmenden vorgelebt, wie Anwohnende die Lebensqualität ihres Quartiers verändern und selbst in die Hand nehmen können“, erklärt Dr. Stefan Fröba. Mit der Projektarbeit des Bewohnerstammtischs immer eng verbunden war auch die Diakonie Hasenbergl, von Anfang an. „In den Leitsätzen der Diakonie Hasenbergl verpflichten sich alle Mitarbeitenden, die Interessen der Menschen wahrzunehmen. Das setzt voraus, dass man miteinander in den Austausch geht und zuverlässig und transparent miteinander umgeht. Dabei ist die Diakonie Hasenbergl auf Initiativen im Stadtteil angewiesen: Nur miteinander kann es klappen. Der Bewohnerstammtisch war hier eine wichtige Verbindung“.

Nach 30 Jahren und vielen erfolgreichen Initiativen hat sich der Bewohnerstammtisch nun aus Altersgründen der Teilnehmenden und Mangel an jüngeren freiwillig engagierten Mitstreiter*innen aufgelöst. Die ehemaligen Aktiven treffen sich heute meist im privaten Rahmen. Viele von ihnen engagieren sich weiterhin ehrenamtlich, sind eine wertvolle Unterstützung für die Mitarbeitenden der Diakonie Hasenbergl bei ihrer täglichen Arbeit. Und hier gibt es noch Platz für weitere Unterstützer*innen, die ihre Zeit, aber auch ihr Wissen gerne mit den den Menschen im Münchner Norden teilen möchten: „Wir freuen uns über engagierte Mitmacher*innen, die Spaß an der Zusammenarbeit mit Menschen haben und so viele unserer Angebote in unseren Einrichtungen beleben“, ruft Dr. Fröba auf.